Im Jahr 1909 wurde der Norikerpferdezuchtverein Thiersee mit 36 Mitgliedern aus Vorderthiersee, Hinterthiersee und Landl gegründet.
Auf Grund seiner Erfolge schlossen sich später die Gemeinden Erl, Niederndorf, Ebbs, Walchsee, Rettenschöß und Kufstein dem Zuchtverein an. Somit galt es in dieser Zeit 1450 einge-tragene Stuten zu belegen. Um die Zuchtziele zu erhalten, wurden Staatshengste eingesetzt, die entweder auf Beschälstationen oder in privater Pflege zur Verfügung standen. Thiersee hatte traditionsgemäß ein bis zwei Staatshengste. Noch während der Kriegsjahre wird die Zahl der Thierseer Zuchtstuten mit 80 angegeben. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch schien der Siegeszug der Technik – Traktor gegen Pferd – das langsame Aus für die sanften Riesen unter den Pferden zu bedeuten. 1990 existierte in Thiersee nur noch eine einzige Norikerstute, der Verein war praktisch ruhend gelegt.
Der Initiative der Brüder Christian und Herbert Bichler verdankt der Norikerpferdezuchtverein Thiersee seinen erneuten Aufschwung. Bereits im Jahr 1994 gab es wieder so viele Pferde im Tal, dass man sich an die Wiederaufnahme des traditionellen Leonhardiritts wagen konnte.
Der Leonhardiritt in Thiersee ist Ausdruck der Wertschätzung von historischem und kulturellem Erbe. Er war und ist seit dem vorigen Jahrhundert eng mit dem Norikerpferdezuchtverein verbunden und verdient daher einer besonderen Erwähnung. 1704 – im Jahr nach dem sogenannten „Bayrischen Rummel“ von 1703 – war Tirol zwar wieder frei, aber die Festung Kufstein blieb in bayrischer Hand. Die umliegenden Gemeinden sollten den Besatzern einen Treueschwur leisten und die Waffen abliefern, um damit von einer Beteiligung an der Rückeroberung Abstand zu nehmen. Diesen Forderungen sind die Thierseer wohl nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Als am 12. August 1704 ein bayrischer Truppenteil durch das Tal zog, leisteten sie Widerstand, unterlagen aber. Zur Strafe ließ der bayrische Kommandant alle Häuser von Vorderthiersee bis Mitterland in Brand stecken, darunter auch die Pfarrkirche. Verfolgt von den bayrischen Soldaten flohen die Leute nach Hinterthiersee. Während sie in der Kirche um Rettung beteten, versuchten die Soldaten, das Vieh der Hinterthierseer Bauern als Beute wegzutreiben.
Aus ihrem gewohnten Trott herausgerissen, gerieten die Tiere in Panik und waren nicht zu bändigen. Schließlich zogen die Soldaten unverrichteter Dinge ab. Zum Dank für ihre Rettung aus der Gefahr gelobten die Thierseer einen alljährlichen Viehumtrieb, aus dem dann der Leonhardiritt entstand. Zum 300-Jahrjubiläum wurde auf dem Dorfplatz in Hinterthiersee eine Gedenkstätte errichtet. Ein liebevoll restauriertes Ölbild erinnert heute noch an das Geschehen von 1704. Aus dem Jahr 1952 existiert eine Reihenfolge der Reiter und Gespanne. Der Festzug, angeführt von einem Vorreiter auf dem Staatspflegehengst, formierte sich in Hinterthiersee in Richtung Wirtshäusl.
Es folgten Geistlichkeit und Ministranten, dahinter die Gespanne mit ihren Vorreitern:
Leonhardiwagen, „Glaube und Liebe“, Notburgawagen, Erntewagen, Holzknechtwagen, Schweizerwagen und Schützenwagen. Dahinter stellten sich paarweise die Reiter auf.
Seit 1994 formieren sich die Gespanne und ReiterInnen in Mitterland zum Festzug nach Hinterthiersee, um dort auf dem Dorfplatz zur Feldmesse Aufstellung zu nehmen. Der Leonhardiritt stellt einen Höhepunkt im Jahresablauf des Norikerpferdezuchtvereins, aber auch des dörflichen Geschehens in Thiersee dar.